Exkursion P-Seminar „KlangBilder“ – Inspiration für Kunst und Musik in München
Am Morgen des 20.07. trafen wir uns alle am Bahnhof in Ansbach, wo unsere Reise mit dem Zug nach München begann. In der Landeshauptstadt angekommen, wurden erst einmal einige Fotos geschossen, bevor wir unser erstes Ziel – das Lenbachhaus – betraten.
Die ehemalige Villa des „Malerfürsten“ Franz von Lenbach, erbaut am Ende des 19. Jahrhunderts, beherbergt nämlich die größte Sammlung der Kunst der Gruppe „Der Blaue Reiter“ weltweit, mit Werken von Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc, Paul Klee und vielen anderen. Diese Maler des frühen 20. Jahrhunderts versuchten, enttäuscht von der dominanten materialistischen Weltsicht, einen Gegenentwurf zur damaligen Zeit in ihrer Kunst zu formulieren: das „Geistige“ sollte erneut zu seinem Recht kommen! Zwangsläufig und folgerichtig wandte man sich dazu immer stärker von einer gegenständlichen Darstellungsweise ab und erarbeitete sich Schritt für Schritt die Gesetzmäßigkeiten der sozusagen „immateriellen“, abstrakten Malerei. Die Analogien zur Musik – einer Kunstform, die schon immer ganz überwiegend abstrakt war – war den Künstlern und Künstlerinnen des Blauen Reiters von Anfang an sehr bewusst.
Im Anschluss zur Ausstellung konnten wir uns sogar original erhaltene Repräsentationsräume Lenbachs anschauen.
Nachdem wir einer Reihe von Lichtpfeilern in die U-Bahn-Station Königsplatz gefolgt waren, erwartete uns unter der Erde unsere nächste Inspiration: die Soundinstallation „Spatial Jitter“ – zu Deutsch „räumliches Zittern“ – von Mouse on Mars, einem deutschen Duo der elektronischen Musik. Im Kunstbau, einem 100 m langen, zuvor ungenutzten U-Bahn-Zwischengeschoss ergänzen sich zahlreiche Lautsprecher mit Lichtelementen. Je nachdem, in welchem Teil des Raumes er sich befindet, nimmt der Besucher ganz unterschiedliche Klangeindrücke wahr. Abhängig vom individuellen Betrachter und dessen Bewegung im Raum ergeben sich somit unendlich viele Möglichkeiten des Kunstwerks: im Gegensatz zum Konzept der Akustik in einem klassischen Konzertsaal, bei der jeder möglichst das Gleiche hört, wird hier explizit eine individualistisch-demokratische Haltung vorgeführt. Das Klang-Arrangement wurde speziell für den spezifischen Ort geschaffen – was der Rezipient dabei konkret hineindeutet, ist ihm zum großen Teil selbst überlassen. Ein weiteres Highlight stellte der Aufzugschacht dar, der, abgekapselt vom Rest der Installation, mit einer anderen Klangkulisse und einem frei schwingenden Lichtelement eine ganz eigene Inspiration darstellte. Laut dem Direktor des Lenbachhauses, ist es ein Grundgedanke des Blauen Reiters seit 1911, die Bildende Kunst mit der Musik zu vereinen, was Mouse on Mars hervorragend gelungen ist. Auch unsere Überlegungen hinsichtlich der Verbindung von Klang, Licht, Farbe und Form wurden vorangebracht.
Anschließend machten wir eine kleine Pause am Eisbach in München, wo wir an dem heißen Sommertag den Surfern zuschauen konnten.
Danach ging es weiter zum nahgelegenen Haus der Kunst. Dort lag unser Fokus besonders auf der Ausstellung „Nebel Leben“ der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya, in der wir wortwörtlich die Gelegenheit hatten in Kunst einzutauchen.
Denn Nakayas Skulpturen bestehen völlig aus Wasser, das in Form von Nebel alle 15 Minuten durch den Raum versprüht wird. Dabei werden große Nebelwolken gebildet, die nicht nur die Räume füllen, sondern auch die traditionelle Vorstellung von Skulptur herausfordern, da sie sich je nach Temperatur, Wind und Atmosphäre verändern und letztlich sogar wieder gänzlich in Luft auflösen.
Begeistert liefen wir also durch die Nebelwolken, die einen fast schon in eine meditative Stimmung versetzten und eine erhabene Atmosphäre erzeugten.
Als finale Aktivität machten wir einen Abstecher ins winterliche Russland mit der Oper „Nos“ (Die Nase) von Dimitri Shostakovich. Der Hauptschauplatz ist eine Polizeiwache, deren Polizist Kowaljow ist der Protagonist und verliert seine Nase. Diese gliedert sich daraufhin selbstständig in das soziale System Sankt Petersburgs ein, tritt ihrem Besitzer nach dessen Suche nach ihr als Staatsrat entgegen und weist ihn aufgrund ihres höheren Status zurück, weshalb dieser erneut Jagd auf sie machen muss, um sie am Ende beim Aufwachen in seinem Bett wieder auf mystische Art und Weise in seinem Gesicht vorzufinden. Die Oper wirkt auf den Zuschauer sehr bizarr: auf der Bühne wird mit abgetrennten Körperteilen geworfen, statt nur einer Nase befinden sich gleich mehrere auf Silikonmasken auf den Gesichtern der Charaktere verteilt und auf einem über der Bühne hängenden Screen werden teils aus dem realen Russland stammende Videos abgespielt. Musikalisch zieht Shostakovich alle Register: Von Arien von Zwiebelbrot und Nasenpickeln über ein Balalaika-Ensemble bis hin zur Performance der Schlagzeugparaphrase von neun Schlagwerkern auf LKWs on stage ist einiges geboten, während Kowaljow an seinem Verlust verzweifelt. Zwischen all dieser Surrealität wird das Normale, nämlich Kowaljow ohne die Nasenmaske mit seiner verbleibenden menschlichen Nase und seinem ausdrucksvollen Gesang, zum Unnormalen und zugleich stellt sich die Frage, ob das menschliche Individuum umgeben vom Unmenschlichen – der brutalen Polizei, welche Oppositionelle niederschlägt – denn noch normal ist. Trotz vieler krankheitsbedingter Ausfälle waren die teils in der Zwischenpause einstudierten Rollen sehr gut inszeniert und das Orchester bewies sich durch exzellentes Zusammenspiel mit den Sänger*innen und glänzende Soli in den charakteristischen Parts von kleiner Klarinette und Kontrafagott. Die Umkehrung von Normal und Unnormal im komischen aber auch gesellschaftskritischen Sinne gehört zu den Hauptzielen des P-Seminars, weshalb sowohl die Oper selbst, aber auch die technisch sehr versierte Darstellung dieser eine wertvolle Ergänzung für uns darstellt. Darum schmerzte es uns aufgrund des Zugverkehrs nicht die ganze Aufführung erlebt haben zu können.
Text: Teodora Bolos und Lena Uebelhör, Q11, Markus Albrecht
Bilder: Charlotte Hornauer, Markus Albrecht und Franziska Argmann