Nach dem durchschlagenden Erfolg unseres P-Seminars „Bau einer Nebelkammer“ kam es im Zeitraum vom 14. – 17. März für zwei seiner Mitglieder zum krönenden Abschluss: einer viertägigen Fahrt ans CERN, das europäische Kernforschungszentrum. Über das Qualifizierungsprogramm des Netzwerks Teilchenwelt erhielten Maria Kasakov und Johannes May die Gelegenheit, in einem Workshop einen tiefen Einblick in die Teilchenphysik und die Forschung am CERN zu erhalten.
Die Fahrt begann in aller Frühe am Bahnhof in Ansbach, von wo es mit dem Zug in acht Stunden nach Genf in die Schweiz ging. Über die Tram erreichten wir das Gelände „Meyrin“, eine der zwei großen oberirdischen Anlagen des CERN. Vom Portier angeleitet durchquerten wir Ansammlungen recht unscheinbarer Baracken, denen man die in ihnen schlummernden hochmodernen Apparaturen kaum ansieht. Durch den regen Betrieb der kleinen Stadt erreichten wir das CERN-Hostel, in dem wir uns einquartierten. Nach den Eingangsformalitäten wurde uns in einem Rundgang über das Gelände die Struktur der Anlage nähergebracht, um eine erste Orientierung zu schaffen. Den Abend verbrachten wir bei einem Vortrag über die Grundlagen des CERN, das aus weit mehr besteht als dem LHC, der gemeinhin das Gesicht bildet.
Modell des CMS
Der Large Hadron Collider (LHC) ist der berühmteste und leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt mit einem Umfang von 27 km, wobei er damit zum Teil in Frankreich liegt. Er beschleunigt Protonen und bringt diese zur Kollision. Die Spuren der dabei entstandenen Teilchen werden an vier großen Detektoren registriert: ATLAS, CMS, LHCb und ALICE. Der Abschluss des ersten Tages war eine Runde des – zum Teil sehr kniffligen – Physik-Tabus, durch das sich die Teilnehmer untereinander mit Spaß näher kennenlernten.
Nach einem reichhaltigen Frühstück in der Kantine wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Zu diesem Zweck erhielt jeder Teilnehmer einen Elementarteilchen-Anstecker, nach dessen Eigenschaften sich die Gruppen bildeten. Wir besuchten den AD (Antiproton Decellerator), der zum Abbremsen der im LHC erzeugten Antiprotonen dient, um sie für weitere Experimente nutzbar zu machen. Dabei erfuhren wir eine Menge über Antimateriephysik und konnten Fragen stellen, die mit allem Wissen beantwortet wurden. Ergänzt wurde dieser Programmpunkt durch einen Vortrag am Abend, der neben unseren Kenntnissen über Antiwasserstoff auch unseren Sachverstand auf Englisch erweiterte.
Kontrollraum des CMS
Weiter ging es ins Datacenter, in dem die riesigen Datenmengen, die die Detektoren des LHC liefern, aussortiert, gespeichert und weiterverarbeitet werden. Nach einer sehr interessanten Frage-Antwort-Runde mit einem schon lange am CERN arbeitenden Physiker gelangten wir per Bus nach Frankreich. Auf dieser Seite des LHC besuchten wir CMS, einen der vier großen Detektoren. Dann wurden wir ausführlich über CLIC informiert, den Compact Linear Collider, einen 100 km langen Linearbeschleuniger, der das wahrscheinlichste Nachfolgeprojekt des LHC ist. Beim Abendessen in der Kantine wurde uns jeden Abend von jeweils anderen Wissenschaftlern Gesellschaft geboten. Wir konnten sie mit Fragen löchern, nachdem sie uns von ihrem Alltag am CERN und ihrem Forschungsschwerpunkt erzählt hatten. Der Abend klang mit dem Film „Particle Fever“ aus, der die Suche nach dem berühmten „Higgs“-Teilchen illustriert. Man merkt schon, dass der Zeitplan sehr voll und auf die Minute perfekt organisiert war, wodurch er keinen Platz für Langeweile bot. Trotzdem blieb am Abend noch genug Zeit, um sich innerhalb der Gruppe zu unterhalten oder Karten zu spielen.
SynchroCyclotron
Der nächste Tag begann mit der Besichtigung des Synchrocyclotrons, des erst vor kurzem restaurierten ältesten Beschleunigers am CERN. Eine fantastische Projektion auf den Beschleuniger verschaffte uns einen Einblick in die Anfänge und die Entwicklung der Teilchenphysik sowie in die Gründung des CERN. Danach führten wir im S´Cool Lab des CERN, dem Schülerlabor, Experimente mit einer Trockeneisnebelkammer und einer Röntgenröhre durch. Mit ihrer Hilfe mussten wir den Code für ein Kistchen ermittelten, in dem sich die Lösung und eine Belohnung für die Schnitzeljagd befanden. Nachdem wir uns einige Andenken gekauft haben, wurden die nächsten Stunden in der Stadt verbrachten und wir folgten den Anweisungen dieser Schnitzeljagd, die uns über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Genfs zu einem Restaurant führten. Dort genossen wir das Abschlussdinner des Workshops. Bei einem köstlichen Käsefondue in bester Gesellschaft konnte jeder den Tag ausklingen lassen. Wieder am CERN angelangt schlossen wir uns zusammen, um die Reisekostenabrechnungsformulare auszufüllen.
Blick ins Innere einer Röhre des LHC
Am Vormittag des letzten Tages besichtigten wir als Abschluss noch die Magnettesthalle, in der die Magnete des LHC und der anderen Experimente überprüft werden. Ein dort arbeitender Ingenieur erläuterte uns die Grundlagen der Magnetphysik und den Aufbau und die Funktion der LHC-Magneten. Besonders bildlich dargestellt wurde dies durch eine virtuelle Aufzugfahrt in ein realistisches Modell des LHC-Tunnels, in dem Originalkomponenten des Beschleunigers präsentiert wurden. Als letzten Programmpunkt stand noch die Workshopevaluation an, in der wir das Erlebte bewerten durften und an dessen Ende uns die weiteren Möglichkeiten der Beteiligung am Netzwerk Teilchenwelt nähergebracht wurden.
Halle des Gebäude 40
Insgesamt war die Reise ans CERN ein Highlight, das wir so schnell nicht vergessen werden. Auf jeden Fall haben wir vor am, Fellows-Programm teilzunehmen und unser Wissen auf aktuellem Stand zu halten. Genau wie die anderen Teilnehmer, werden auch wir immer wieder über diesen Workshop reden und versuchen, mehr Schüler dafür zu begeistern. Es ist eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen sollte. In den wenigen Tagen, die wir dort verbracht haben, wurde uns klar, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit von Physikern aus aller Welt eigentlich ist. Denn wenn wir unsere Unterschiede beiseitelegen und unsere Gemeinsamkeiten fördern, wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen, dann ist uns eine erfolgreiche und grandiose Zukunft gesichert.